Das Konzept ‚Rechnen durch Handeln‘ verträgt sich nur begrenzt mit existierenden Schulbüchern. Das liegt daran, dass der Aufbau der existierenden Schulbücher anderen
didaktischen Grundvorstellungen folgt. Dies sind vor allem:
- Ausgangspunkt ist die geschriebene und gesprochene Zahlreihe. Daher werden in jedem neuen Zahlenraum die Zahlzeichen und Zahlworte eingeführt, kardinal unterlegt und im Blick auf Strukturen (Muster/Kraft der Fünf) kennengelernt, bevor mit
diesen gerechnet wird.
- Die Einführung der Operationen geschieht vom Einfachen zum Schweren.
Um an der vorhandenen Kompetenz der Zahlwortreihe anzuknüpfen, beginnt man mit der Addition, gefolgt von der Subtraktion im 1. Schuljahr. Erst im 2. Schuljahr scheinen
Multiplikation und Division möglich, da diese beiden Operationen an das Erlernen des 1x1, also auch an den Zahlenraum bis 100 gekoppelt sind.
- Die Orientierung zielt von Beginn an auf den Zehner. Deshalb werden Zerlegungen bereits früh bis zur 10 geübt.
- Die Zehner-Einer-Gliederung wird im
Zahlenraum bis 20 und jede weitere Zahlenraumwerweiterung über Analogieaufgaben eingeführt. Dabei gelten die schuljahrsbezogenen Stufen: 1. Klasse bis 20 / 2. Klasse bis 100 / 3. Klasse bis 1.000 /
4. Klasse bis Millionen.
- Veranschaulichungen und Rechenhandlungen dienen der Strukturbildung und dem
Operationsverständnis im kleinen Zahlenraum bis 20 und bis 100. Deshalb endet das handelnde Rechnen mit dem zweiten Schuljahr. Und deshalb wird früh
mit der Stellenwerttafel und entsprechenden Zerlegungsübungen versucht, das Denken im abstrakten Stellenwertsystem zu fördern, um es über Analogie in größeren Zahlräume zu übertragen.
- Notationen werden als Schemata verstanden, mit denen Aufgaben gelöst
werden.
Bei ‚Rechnen durch Handeln‘ werden diese zentralen didaktischen Aspekte anders gesehen und gehandhabt:
- Ausgangspunkt ist die die durch analoge Abbildung erzeugte ‚konkrete Zahl‘ und sind
Rechenhandlungen mit solchen ‚konkreten Zahlen‘. Zahlwortreihe und Zahlzeichen werden als Kommunikationsmittel verstanden, kennengelernt und
genutzt.
- Entsprechend werden die Operationen im Blick auf ihre Strukturen bildende Wirkung
eingeführt, weshalb mit Multiplikation und Division begonnen werden kann (welche in besonderem Maße Zahlbausteindenken und den Blick auf Muster unterstützen)
- Es gilt der wichtige Grundsatz: Subtraktion vor
Addition. Dies gilt, weil die Subtraktion die Bedeutung der Zerlegung und damit des Teile-Ganze-Prinzips erfahrbar werden lässt und weil die nachträgliche Einführung der Addition es
erlaubt, diese in ihrem Zusammenhang mit der Subtraktion als Gegenoperation kennenzulernen, also nicht mehr als Ergebnis eine Zählaufforderung.
- Da es um von der Wahrnehmung unterstützte Rechenhandlungen geht, entstehen die Stufen des
Vorangehens aus den Grenzen der Wahrnehmung. Es ergibt sich die Bedeutung, die der kleine Zahlenraumes bis 5 bei ersten Automatisierungsprozessen spielt. Und es ergibt
sich die Konsequenz, den Zahlenraum bis 20 auf Fünferbasis zu öffnen, statt auf Zehnerbasis.
- Das von Rechenhandlungen und konkreten Zahlen ausgehende Vorgehen erlaubt es, von Anfang
an in größere Zahlenräume vorzudringen und den Einer-Zehner-Hunderter-Zusammenhang bereits in der ersten Klasse und vor allem vor (!) Behandlung des Zehnerüberganges
erfahrbar zu machen.
- Das Konzept der ‚konkreten Zahl auf unterschiedlichen Abstraktionsstufen‘ erlaubt ferner die
differenzierte Beurteilung unterschiedlicher Rechenmittel. Daneben wird es möglich, Rechenhandlungen und Veranschaulichungen auch im 3. und 4. Schuljahr einzusetzen.
- Notationen sind keine zu erlernenden
Schemata, sondern werden aus Rechenhandlungen abgeleitet und als verschriftlichte vorgestellte Rechenhandlungen verstanden. Unklarheiten können daher jederzeit auf bekannte
Rechenhandlungen zurückgeführt werden. Das gilt für schriftliche Verfahren ebenso wie für halbschriftliche oder den Rechenstrich.
Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die gleichzeitige Verwendung eines
vorhandenen Schulbuches es notwendig macht, dieses nicht entsprechend seinem eigenen Aufbau in chronologischer Folge zu nutzen. Vielmehr muss es daraufhin untersucht werden, in welcher Form es das
durch ‚Rechnen durch Handeln‘ angezeigte Voranschreiten unterstützen kann. Dies erfordert:
- das Weglassen von kontraproduktiven Seiten
- die Veränderung der Reihenfolge der genutzten Seiten sowie
- das Ergänzen des Schulbuches durch dort nicht vorhandene Aufgabenstellungen.
Die folgenden drei Downloads wurden im Rahmen einer Schul-Beratung erstellt. Die
Frage war, ob und wie das Schulbuch Nussknacker im 1., 2. Und 3. Schuljahr genutzt werden kann, wenn man das Vorgehen aber an ‚Rechnen durch Handeln‘ orientieren will.
Sie finden darin erstens eine Übersicht über die Seiten des Schulbuches mit einer
Einschätzung für deren Nutzbarkeit. (gar nicht/ gemeinsame Behandlung/als selbständige Übung).
Zweitens findet sich ein Stoffverteilungsplan für die Arithmetik mit Verweisen auf
die gegebenenfalls im Schulbuch zu nutzenden Seiten.
Dieser Aspekt des Stoffverteilungsplanes ist sicher auch für KollegInnen und
Kollegien interessant, die mit einem anderen Schulbuch arbeiten oder versuchen wollen, ganz auf ein Schulbuch zu verzichten.
Allen Interessierten empfehle ich auch den Menüpunkt ‚Diagnose und Förderung‘ auf
meiner Homepage, wo die zentralen Ziele, diagnostische Optionen sowie förderliche Maßnahmen kurz aufgelistet und beschrieben sind.
Eine Übersicht über die vom Lernenden aufzunehmenden ‚Kernbotschaften‘ findet sich
auch im Menüpunkt ‚Rechnen durch Handeln – Grundlinien des Konzepts‘.
Texte zu einzelnen fachdidaktischen Fragen wie ‚Subtraktion vor Addition‘ finden Sie
unter ‚didaktische Konsequenzen‘.